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Entscheidung BGH, Urteil vom 15.09.2021 – VIII ZR 76/20

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Eigenbedarf nach Zwangsversteigerungserwerb – (Sonder-)Kündigungsrecht aus § 57a ZVG trotz vereinbartem Kündigungsausschluss zwischen Mieter und vormaligem Eigentümer

Die Entscheidung betrifft den praxisrelevanten und sensiblen Bereich der Eigenbedarfskündigung von Wohnraumraumverhältnissen nach erfolgter Zwangsversteigerung.

Konkret behandelt die Entscheidung die Frage, ob der Erwerber eines Grundstückes aus der Zwangsversteigerung sein Sonderkündigungsrecht aus § 57a ZVG wegen Eigenbedarf ausüben kann, obwohl zwischen dem Mieter und dem vormaligen Eigentümer der Ausschluss einer solchen Kündigung vereinbart worden war.

Der Beklagte war seit 2005 Mieter einer Eigentumswohnung in München. In § 15.5 des mit dem damaligen Eigentümer abgeschlossenen Mietvertrages ist unter anderem folgende Vereinbarung enthalten: „Eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ist ausgeschlossen“. Die Kläger erwarben die Wohnung im Wege der Zwangsversteigerung mit Zuschlagbeschluss vom 16.10.2018. Mit Schreiben vom 20.10.2018 erklärten sie gegenüber dem Beklagten die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfes.

Das Amtsgericht München hat der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Mieters mit welcher er die Bindung der Kläger an den vertraglichen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung sowie die unzureichende Begründung der Kündigungserklärung geltend gemacht hat, hat das Landgericht zurückgewiesen. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich den Entscheidungen der Vorinstanzen angeschlossen und die Revision des Mieters zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BGH ist das dem Ersteher der Eigentumswohnung zustehende fristgerecht ausgeübte Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG gerade nicht durch eine schuldrechtliche Vereinbarung des Mieters mit dem ursprünglichen Eigentümer (Vermieter) ausgeschlossen.

Der BGH begründete dies unter anderem damit, dass im Falle der Zwangsversteigerung der Erwerber das Eigentum nicht rechtsgeschäftlich, sondern kraft staatlichen Hoheitsaktes durch den Zuschlag erwerbe (§ 90 Abs. 1 ZVG).

Der Zwangsversteigerungserwerber tritt nach § 57 ZVG, § 566 BGB in das Mietverhältnis ein, allerdings „nach Maßgabe der § 57a ZVG und § 57b ZVG“. Während der bei einer rein rechtsgeschäftlichen Grundlage in ein Mietverhältnis eintretende Erwerber auch die kündigungseinschränkenden Vereinbarungen zwischen Alteigentümer und Mieter erwirbt, ist dies beim Erwerb durch Hoheitsakt durch Zuschlag im Rahmen der Zwangsversteigerung nicht der Fall. Denn der Eintritt nach § 566 BGB in das bestehende Mietverhältnis erfolgt gerade nur „nach Maßgabe“ der gesetzlichen Vorschrift des § 57a ZVG. Das Sonderkündigungsrecht des § 57a ZVG ist somit Bestandteil des Eigentumserwerbs, da es zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen zählt. Durch den Zuschlag zu diesen gesetzlichen Bedingungen wird dem Zwangsversteigerungserwerber die öffentliche Gewähr zugesprochen, dieses Sonderkündigungsrecht unabhängig von schuldrechtlichen Vereinbarungen ausüben zu dürfen. Daher werden die zivilrechtlichen Regelungen durch die öffentlich-rechtlichen Zwangsversteigerungsnormen insoweit verdrängt bzw. überlagert.

Nur dieses Verständnis entspricht nach der Entscheidung des BGH dem Sinn und Zweck der Norm des § 57a ZVG wonach das Sonderkündigungsrecht nicht durch Vereinbarungen zwischen dem Mieter und dem vormaligen Eigentümer eingeschränkt werden kann. Denn vorrangig werden nach § 57a ZVG die Gläubiger des Vollstreckungsschuldners geschützt. Das Interesse der Realgläubiger (grundpfandrechtlich gesicherte Gläubiger des Vollstreckungsschuldners) liegt darin, einen möglichst hohen Erlös durch die Zwangsversteigerung zu erzielen. Ein bestehendes auch den Erwerber bindendes Mietverhältnis würde insoweit einen wertmindernden Faktor in der Versteigerung darstellen und damit den Versteigerungserlös beeinträchtigen. Dies würde aber den Interessen der Vollstreckungsgläubiger zuwiderlaufen. Im Ergebnis werden durch die Regelung des § 57 a ZVG die Mieterinteressen den Interessen der Vollstreckungsgläubiger untergeordnet.

Der BGH betont aber, dass der gesetzliche Mieterschutz gerade über § 59 ZVG nicht abbedungen werden kann und insoweit auch den schutzwürdigen Interessen des Mieters Rechnung getragen wird. Denn der Ersteher, der von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 573 d Abs.1 i.V.m. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – wie vorliegend dem Eigenbedarf – Gebrauch machen möchte, muss abgesehen von der Einhaltung der Sonderkündigungsfrist gleichermaßen den Kündigungsgrund vortragen und den Begründungsanforderungen gem. § 573 Abs. 3 BGB gerecht werden. Gegen diese Kündigung kann der Mieter weiterhin den Härtefalleinwand des § 574 BGB geltend machen.

Die Entscheidung zeigt, dass der Mieter trotz eines vertraglich vereinbarten Kündigungsausschlusses wegen Eigenbedarfs nicht davor geschützt ist, im Falle einer Zwangsversteigerung mit einer entsprechenden Kündigung konfrontiert zu werden. 

Das Sonderkündigungsrecht des § 57 a ZVG gilt allerdings lediglich für Zwangsversteigerungen wegen Geldforderung („Forderungsversteigerung“) und findet dagegen keine Anwendung im Falle einer Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft („Teilungsversteigerung“, vgl. §§ 180, 183 ZVG). Mit der Beschränkung des Sonderkündigungsrechts des § 57a ZVG auf die Forderungsversteigerung soll gerade verhindert werden, dass sich Miteigentümer mit Hilfe einer Teilungsversteigerung von unerwünschten Mietern loslösen können. 

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