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Entscheidung BGH-Urteil vom 27.10.2021 – XII ZR 84/20

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Kein Mietvertragsübergang nach § 566 BGB bei fehlender Identität von Verkäufer und Vermieter

Die vorliegende Entscheidung betrifft den Problemkreis des Überganges eines Mietverhältnisses auf den Erwerber einer Immobilie gemäß der Vorschrift des § 566 BGB „Kauf bricht nicht Miete“. 

Der in § 566 Abs. 1 BGB geregelte Eintritt des Erwerbes in ein bestehendes Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, dem eine Wohnung, ein Grundstück (§ 578 Abs. 1 BGB) oder gewerblich genutzte Räume (§ 578 Abs. 2 BGB) aufgrund eines mit dem vormaligen Eigentümer geschlossenen Mietvertrags überlassen worden sind. Die Regelung des § 566 BGB ist eine Ausnahmevorschrift von dem im Privatrecht geltenden Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse, wonach Rechte und Pflichten nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen entstehen. 

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist § 566 Abs. 1 BGB als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und nur insoweit anzuwenden, als der mit dieser Vorschrift bezweckte Mieterschutz dies erfordert. Voraussetzung ist daher grundsätzlich, dass eine Personenidentität zwischen dem veräußernden Eigentümer und dem Vermieter besteht. Allerdings kann die Vorschrift nach der Rechtsprechung in besonderen Konstellationen aus Gründen des Mieterschutzes trotz mangelnder Personenidentität § 566 Abs.1 BGB analog angewendet werden, wenn der Grundstückseigentümer als Quasi-Vermieter anzusehen ist. In seiner Grundsatzentscheidung, BGH, Urt. v. 12.7.2017 – XII ZR 26/16 = NZM 2017, 847 hatte der Bundesgerichtshof eine derartige Quasi-Vermieterrolle des veräußernden Eigentümers und damit eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB bejaht, wenn (i) die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung und im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt und (ii) der formale Vermieter kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses hat. Denkbar sind etwa Konstellationen in denen der Grundstückseigentümer einen Immobilienverwalter zur Vermietung im eigenen Namen aber auf Rechnung des Grundstückeigentümers ermächtigt.

In Abgrenzung zu der vorgenannten Entscheidung aus dem Jahr 2017, in der die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB bejaht wurden, hat der Bundesgerichtshof in dem der vorliegenden Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift verneint.

In dem vorliegenden Fall hatte der beklagte Verein mit Datum vom 19.01.2008 einen „Pachtvertrag“ – welcher tatsächlich als Mietvertrag zu qualifizieren war – mit einer Gesellschaft geschlossen, die nicht Eigentümerin der verpachteten Flächen war. Der Pachtvertrag war bis zum 31.12.2016 befristet, wobei vereinbart war, dass der Vertrag sich mit Ablauf der jeweiligen Festlaufzeit automatisch um weitere 10 Jahre verlängert, sofern er nicht zuvor von der Pächterin unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres schriftlich gekündigt wird.

Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 20.06.2008 die streitgegenständliche Grundstücksfläche. Mit Schreiben vom 28.10.2008 informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie in den Pachtvertrag eingetreten sei und die Pacht zukünftig an sie zu leisten sei. Infolge dessen hat die Beklagte ab dem Jahr 2009 die ursprünglich mit dem Verpächter vereinbarte Pachtzahlung an die Klägerin geleistet.

Mit Schreiben vom 02.01.2017 hat die Klägerin den Mietvertrag zum 30.06.2017, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin gekündigt und Räumung und Herausgabe der Mietflächen verlangt.

Dem Herausgabeverlangen der Klägerin kam das AG Itzehoe (Urt. v. 09.04.2019, BeckRS 2019, 57807) nach, wohingegen das LG Itzehoe die Klage unter Bejahung einer analogen Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB und damit eines Überganges des Mietverhältnisses abwies (Urt. v. 18.08.2020 – 1 S 55/19, BeckRS 2020, 52577). Der BGH gab hingegen der Klägerin Recht und stellte die amtsgerichtliche Entscheidung wieder her.

Eine direkte Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB schied vorliegend aus, da der ursprüngliche Verpächter nicht identisch mit dem Grundstücksveräußerer war. Nach Auffassung des BGH waren vorliegend allerdings auch die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB nicht eröffnet, da die vormalige Eigentümerin die ursprüngliche Verpächterin weder mit dem Abschluss des Pachtvertrages beauftragt hatte, noch festgestellt werden konnte, dass sie mit dem Abschluss des Pachtvertrages überhaupt einverstanden war. Auch flossen der vormaligen Eigentümerin die Erträge aus dem Pachtvertrag nicht zu. Entgegen der Entscheidung, BGH, Urt. v. 12.7.2017 – XII ZR 26/16 = NZM 2017, 847 lag also gerade nicht nur ein formales, vielmehr ein tatsächliches Auseinanderfallen von Vermieter- und Eigentümerstellung vor.

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